Regionalanästhesie in der Geburtshilfe

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Regionalanästhesie in der Geburtshilfe

Definition

  • durch Einbringungen eines Lokalanästhetikums kommt es zu einer reversiblen Hemmung der afferenten sowie efferenten Nervenleitungen

  • es folgen

    • sympathische

    • sensorisch-sensible

    • sowie motorische Blockaden

  • dabei ist das Bewusstsein intakt

Ebenen der Anästhesie

  • Schleimhautanästhesie

  • Infitrationsanästhesie

  • Nervenblockade

  • Plexusanästhesie

  • rückenmarksnahe Anästhesie

  • Vollnarkose

Grundregeln

  • Narkosearbeitsplatz

  • Basismonitoring

  • engmaschige Vitalzeichenkontrollen und Patientenbeobachtung

  • hochsteriles Vorgehen

    • vor allem bei Kathetertechniken

  • frühzeitiges Bestellen des Patienten

Grundausstattung

  • was brauch ich

    • Monitoring

    • Patientenüberwachung

    • Medikamente

      • Lokalanästhetikum

      • ggf. Schmerzmittel

      • Hypnotikum

      • Muskelrelaxantien

      • Notfallmedikamente

    • Beatmungsmöglichkeiten

    • Materialien

  • Patientenüberwachung

    • EKG

    • Blutdruckmessung

    • Sauerstoffsättigungsmessung

  • zusätzliche Medikamente

    • Hypnotikum

    • Opiat

    • Muskelrelaxantien

    • Infusionen

    • Notfallmedikamente

  • Beatmungsmöglichkeiten

    • Narkosegerät

    • Material zur Beatmung

    • Intubationsmaterial

    • Sekretabsaugung

Periduralanästhesie für die vaginale Entbindung

neurale Blockade der Geburtsschmerzen

  • Schmerzen während der Geburt

    • Eröffnungsphase (Th 10 – L 1)

      • Uteruskontraktion

      • Dilatation der Zervix

      • Zug an uterinen Bändern

    • Austreibungsphase (Th 10 – L 2)

      • Zeitraum zwischen vollständiger Eröffnung des Muttermundes und der Geburt des Kindes

Indikationen

  • Frühgeburten

  • Herzerkrankungen der Schwangeren

  • Präklampsie

  • Einleitung der Geburt mit Oxytocin

  • Mehrlingsschwangerschaften

  • Beckenendlagen

  • unkoordinierte Uteruskontraktionen

  • Diabetes mellitus

  • operative vaginale Entbindung

Kontraindikationen

  • tiefer Sitz der Plazenta

    • Placenta previa

  • Nabelschnurvorfall

  • akute fetale Asphyxie

Besonderheiten

  • Periduralraum

    • Venen des Periduralraums sind stark gefüllt

    • negativer Druck des Periduralraums aufgehoben

  • Lokalanästhetika

    • niedrige Dosis von Lokalanästhetika

    • Auswahl von Lokalanästhetika, die weniger auf die Motorik wirken

      • z. B. Bubivacain und Ropivacain

    • Lokalanästhetika mit einem Opioid

  • Pressdrang

    • wird durch die PDA reduziert bzw. aufgehoben

  • Geburtsdauer wird unter einer PDA um ca. 1,5 Stunden verlängert

praktisches Vorgehen

  • Einhaltung der Nüchternheit

  • Lokalanästhetika der Wahl sind Bubivacain und Ropivacain

  • als Vasopressoren Akrinor oder Epinephrin anwenden

  • vor und nach der PDA sollte ein CTG durchgeführt werden

  • nach Durchführung der PDA engmaschige Vitalkontrollen durchführen und die Wirksamkeit überprüfen

  • in Linksseitenlage oder sitzenden Position durchführen

  • in der Eröffnungsphase niedrigere LA-Dosen applizieren, damit die Motorik erhalten bleibt

  • Auffrischdosis vor der Schmerzrückkehr applizieren

Verfahren

  • Intermittierende Peridurealanästhesie

    • initiale Dosis in der Eröffnungsphase

    • Repitionsdosen nach ca. 60 – 90 Minuten

  • Patientenkontrollierte peridurale Anästhesie (PCA)

    • angewandte Spritzenpumpe

Nachteile

  • mangelhafte Analgesie

  • ungelockte Segmente

  • abgeschwächte Motorik

  • Einsatz von Oxytocin mehr erforderlich

  • häufig regelwidrige Kindslagen

  • Zangen und Vakuumextraktion mehr erforderlich

  • schwierige Technik

    • vermehrt versehentliche Durapunktionen

Rückenmarksnahe Regionalanästhesie

Periduralanästhesie (PDA)

  • das Einbringen von Lokalanästhetika in den Periduralraum

  • Möglichkeiten

    • Single-Shot zur Anästhesie

    • Kathetertechnik zur Anästhesie

    • postoperative Schmerztherapie

  • Periduralkanülen

    • Tuohy-Nadeln

  • Medikamente

    • NaCl 0,9 %

Eigenschaften von Lokalanästhetika für die Periduralanästhesie

Substanz

Konzentration (%)

Volumen (ml)

Gesamtdosis (mg)

Anschlagzeit (min)

Wirkdauer (min)

Lidocain

1 – 2

15 – 30

200 – 500

10 – 30

100 +_-40

Prilocain

1 – 2

15 – 30

150 – 600

12 – 16

100 +_-40

Mepivacain

1 – 2

15 – 30

150 – 500

15 – 20

120 +- 50

Bupivacain

0,25 – 0,75

15 – 30

150

18 – 30

200 +- 80

Levobupivacain

0,25 – 0,75

10 – 30

175, 225,5, 400/24 h

8 – 20

Ropivacain

0,2 – 1

15 – 30

220

10 – 20

180 – 360

Komplikationen

  • Frühkomplikationen

    • versehentliche Durapunktion

    • versehentliche subarachnoidale Punktion

    • massive Periduralanästhesie

    • Punktion einer Periduralvene

    • Hypotonie

  • Spätkomplikationen

    • Blasenfunktionsstörungen

    • Kopfschmerzen

    • neurologische Störungen

      • Meningitis

      • Cauda-Equina-Syndrom

      • epidurale Hämatome

      • epiduraler Abszess

Vorteile

  • bessere postoperative Schmerztherapie

  • Reduktion von Komplikationen

    • kardial/pulmonal

    • reduziertes Risiko bei nicht nüchternen Patienten

    • schwierige Atemwege

    • reduziertes PONV-Risiko

    • bevorzugt bei Disposition zur malignen Hyperthermie

    • bevorzugt bei Suchtpatienten

  • wirtschaftliche Faktoren

    • kürzere Aufwachraumzeit

    • kein Intensivaufenthalt

    • schnellere Entlassung oder Reha

    • schnellere Wechselzeiten

    • Kostenersparnis

Nachteile

  • höherer Zeitaufwand

  • teilweise inkomplette Blockaden

  • schlechte Steuerbarkeit

  • LA-Intoxikationen

Kontraindikationen

  • Ablehnung des Patienten

  • nicht kooperative Patienten

  • Infektionen am Punktionsort

  • Sepsis

  • veränderte anatomische Bedingungen

  • Gerinnungsstörungen bei tiefen Blockaden

  • Erkrankungen des ZNS

  • neurologische Erkrankungen

  • Allergieneigung auf das Lokalanästhetikum

  • Schocksymptomatiken

  • intrakranielle Druckerhöhungen

  • Kopfschmerzanamnese bei rückenmarksnaher Anästhesie

systemisch toxische Reaktion von Lokalanästhetika im ZNS

  • Erregung im ZNS, durch Lähmung der hemmenden Neuronen

  • Ursachen

    • Überdosierung

    • intravasale oder intraarterielle Injektion

    • ungewöhnlich rasche Resorption (blutiger Periduralraum) der hemmenden Neuronen

  • mögliche Vorboten

    • Muskelzittern

    • Schläfrigkeit

    • Schwindel

    • verwaschene Sprache

    • Ohrklingeln

    • Taubheit von Lippen und Zunge

    • Nystagmus

    • Sehstörungen

    • metallischer Geschmack

  • Phase der Erregung

    • Cortex

      • Unruhe

      • Angst

      • Euphorie

      • klonische Krämpfe

    • Medulla oblongata

      • Hypertonie

      • Tachykardie

      • Tachypnoe

      • Übelkeit und erbrechen

    • Therapie

      • Sauerstoffapplikation

      • ggf. Benzodiazepin, Hypnotika i. v.

  • Phase der Depression

    • Cortex

      • Stupor

      • Koma

      • Areflexie

    • Medulla oblongata

      • Hemmung des Kreislaufzentrums

      • Hypotension

      • Apnoe

    • Therapie

      • Intubation und Beatmung

      • Kreislaufstabilisierung mit Volumenzufuhr und/oder Katecholaminen

systemisch toxische Reaktion von Lokalanästhetika im Blut

  • Herz (Reizleitung)

    • negativ dromotrop

      • AV-Überleitung wird verzögert

    • negativ bathmotrop

      • Hemmung der Erregungsbildung

      • Unterdrückung bestehender Herzrhythmusstörungen

    • allergische Reaktionen treten eher selten auf

      • eher beim Esthertyp

Komplikationen

  • Vaso-Vagale Reaktionen

    • Symptome

      • Blässe

      • Schweißausbrüche

      • Hypotonie

      • Bradykardie

    • Therapie

      • Kreislauf stabilisieren

      • Akrinor und Atropin

      • ausreichende Oxygenierung

  • Reaktion auf Vasokonstriktoren

    • Symptome

      • Tachykardie

      • Hypertonie

      • subjektives Unwohlsein

  • Allergien

    • Symptome

      • Tachykardie

      • Hypotonie

      • Übelkeit, erbrechen

      • Hautreaktion

    • Therapie

      • Antihistaminika

      • Steroide

      • Kreislauf stabilisieren

      • ausreichende Oxygenierung

Lokalanästhetika

  • Lokalanästhetika blockieren die Entstehung und Weiterleitung von Impulsen, der in einem umschriebenen Gewebsbezirk verlaufenden Nerven

  • es besteht eine Reversibilität

  • Anforderungen an ein Lokalanästhetikum

    • gute Gewebeverträglichkeit

      • keine Reizung oder Schädigung des Nervengewebes

    • geringe systemische Toxizität

Pharmakodynamik

einheitlicher molekularer Bauplan

nicht geladene, fettlösliche, lipophile Hälfte

verknüpft durch Ester- oder Amid-Bindungen

je nach ph-Werte der Gewebe und Lokalanästhetikum

geladene oder nicht geladene hydrophile oder lipophile Hälfte

  • Estertyp

    • Cocain

    • Procain

    • Tetracain

  • Amidtyp

    • Lidocain

    • Mepivacain

    • Meaverin

  • Lokalanästhetika sind schwache Basen

  • die freie Base ist fettlöslich, unlöslich in H2O und chemisch instabil

  • durch Zusatz von Salzsäure oder CO2 entsteht ein stabiles Salz

freie Base:

instabil

fettlöslich

gut gewebeverträglich

→ Azidose

Alkalose

Salz:

stabil

wasserlöslich

schlecht gewebeverträglich

 

Im Gewebe wird der Säurezusatz gepuffert

→ entsteht eine freie Base →

rasche Membrandurchdringung

  • Sinn des CO2-Zusatzes

    • besseres Eindringvermögen ins Gewebe

    • früherer Wirkungseintritt

    • höhere Erfolgsquote

  • Cave

    • entzündliches Gewebe

      • lokale Azidose

      • LA wird nicht in eine ungeladene Form überführt

      • geladene Molekül ist nicht membrangängig, gelangt somit nicht zu den Axonen

Wirkungsmechanismus

  • Wirkung in ionisierter Form an den Membranen der Axone

  • Verminderung der Permeabilität der Nervenzellmembran für Natriumionen

  • eine Depolarisation der Membran durch Na+-Ionen-Einstrom nicht mehr möglich

  • Lokalanästhetika blockieren Natriumkanäle (Reduzierung der Nervenzellmembranen für Natriumionen) in den Nervenfasern und hemmen so die Reizleitung

Reihenfolge der Wirkung von Lokalanästhetika

  1. Sympathikolyse

  • zuerst dünne sympathischen Fasern betroffen

    • venöses Pooling

    • Hypotonie

    • Hyperthermie der Haut

  1. Blockierung von sensorischen Fasern

  2. motorische Paralyse

Wirkungsweisen von Lokalanästhetika im Vergleich

Lokalanästhetikum

Wirksamkeit verglichen mit Procain

Toxizität, verglichen mit Procain

Adrenalin

empfohlene Höchstdosen (mg/einmaliger Anwendung)

Procain (z. B. Novocain)

1

1

ohne

mit

500

1 000

Tetracain (z. B. Pantocain)

10

10

ohne

mit

20

20

Lidocain (z. B. Xylocain)

4

2

ohne

mit

250

500

Mepivacain (z. B. Meaverin)

4

2

ohne

mit

300

500

Bupivacain (z. B. Carbostesin, Meavarin ultra)

16

8

ohne

mit

150

150

Etidocain (z. B. Dur-Anest)

ohne

mit

300

300

  • die Resorption aus dem gesetzten Depot in die Blutbahn hängt ab

    • von der Substanzeigenschaft

    • dem Ort der Applikation

    • der Konzentration der Lösung

  • der Wirkungseintritt und die Wirkungsdauer hängt ab

    • von der Entfernung des Depots zu den Nervenbahnen

    • der Vaskularisation und Durchblutung des Gewebes

Lokalanästhetikum

Wirkungseintritt (min)

Wirkungsdauer (Std)

Procain

5 – 10

1

Tetracain

3 – 6

8

Lidocain

4 – 8

1 – 2

Mepivacain

2 – 4

1 – 2

Bupivacain

2 – 3

8

Etidocain

2 – 3

8

Pharmakokinetik

Proteinbindung

rel. Potenz (Procain = 1)

Wirkeintritt

Wirkdauer (min)

Prilocain (Xylonest)

55 %

2

schnell

90

Mepivacain (Scandicain)

75 %

2

schnell

120

Bupivacain (Carbostesin)

92 %

8

langsam

360

Ropivacain (Naropin)

95 %

8

schnell

720

  • Voraussetzung für die Biotransformation ist die Resorption in der Blutbahn

  • LA vom Estertyp werden durch die Pseudocholinesterase (in der Leber synthetisiert) im Plasma zu unwirksamen Produkten umgebaut

  • LA vom Amidtyp werden in der Leber zu unwirksamen Produkten umgebaut

  • Cave

    • Leberzirrhose

  • rascher Konzentrationsanstieg nach Injektion

    • dann zunehmend langsamer

Lokalanästhetikum

Eliminationshalbwertszeit (Stunden)

Lidocain

1,6

Mepivacain

1,9

Bubivacain

2,7

Etidocain

2,7

Zusatz von Vasokonstriktoren

  • starke Verminderung der Perfusion führt zu einer Wirkungsverlängerung des Lokalanästhetikums

  • Absenkung der system-toxischen Wirkung

  • Kontraindikation

    • bei Infiltrationen von Gebieten mit Endarterienversorgung

      • Finger

      • Füße

  • Katecholamine

    • Adrenalin

      • Maximaldosis von 0,25 mg

    • Cave

      • bei intravasaler Applikation kardio-vaskuläre Auswirkungen

    • Phenylephrin

    • α-Rezeptoren Stimulation

      • Cave

        • reflektorische Bradykardie

Anwendung von Lokalanästhetika vom Amid-Typ

Substanz

Anwendung

Konzentration (%)

Volumen (ml)

Anschlagzeit (min)

Wirkdauer (min)

maximale Einzeldosis (mg)

Lidocain

Infiltration (Lösung)

0,5 – 1

300

große Nervenblockade

1 – 1,5

30 – 50

10 – 20

120 – 240

500

peridural

1 – 2

15 – 30

5 – 15

30 – 90

spinal

5, hyperbar

1 – 2

30 – 90

Prilocain

Infiltration

0,5 – 1

30 – 90

30 – 90 o. A.

400 o. A.

große Nervenblockade

1 – 2

30 – 50

10 – 20

180 – 300

peridural

2

15 – 30

5 – 15

150 – 600

Mepivacain

Infiltration

0,5 – 1

45 – 90 o. A.

120 – 360 m. A.

300 o. A.

500 m. A.

große Nervenblockade

1 – 2

30 – 50

10 – 20

180 – 300

peridural

1,5 – 2

15 – 30

5 – 15

60 – 180

spinal

4, hyperbar

1 – 2

30 – 60

Bupivacain

Infiltration

0,25 – 0,5

120 – 240 o. A.

180 – 420 m. A.

150

große Nervenblockade

0,25 – 0,5

30 – 50

15 – 30

360 – 720

peridural

0,25 – 0,75

15 – 30

10 – 20

180 – 300

spinal

0,5

2 – 4

75 – 150 isobar und hyperbar

Levobupivacain

Infiltration

0,25 – 0,5

1 – 60

1 – 5

150

große Nervenblockade

0,25 – 0,5

30 – 50

peridural

0,25 – 0,75

10 – 30

8 – 20

spinal

0,5

2 – 4

10

75 – 250

Ropivacain

Infiltration

0,2 – 0,5

1 – 5

120 – 360

220

große Nervenblockade

0,5 – 1

15 – 30

15 – 30

360 – 720

peridural

0,2 – 1

15 – 30

10 – 20

180 – 360

spinal

0,5

3 – 5

1 – 5

120 – 360

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