Dekubitusprophylaxe
Definition
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Die internationale Definition von Dekubitus (nach NPUAP und EPUAP)
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Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, in der Regel über knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck oder von Druck in Kombination mit Scherkräften
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Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, welche tatsächlich oder mutmaßlich mit Dekubitus assoziiert sind; deren Bedeutung ist aber noch zu klären
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Ursachen
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Hauptursache für die Entstehung von Dekubitalgeschwüren ist Druck oder die Kombination von Druck und Scherkräften
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Druckkräfte bewirken eine horizontale Kompression zwischen der äußeren Auflagefläche und festen anatomischen Strukturen
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z. B. Knochen
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Scherkräfte wirken diagonal und bewirken eine Verschiebung der Gewebeschichten zwischen Haut und Skelett
Pathogenese
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Die Epidermis und Dermis reagieren Druck und Scherkräften gegenüber relativ widerstandsfähig
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Das subkutane Fettgewebe und das Muskelgewebe wird deutlich schneller geschädigt
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Welche pathologischen Vorgänge für diese Schädigungen verantwortlich sind ist noch unklar
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Hauptsächlich werden vier Theorien diskutiert:
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Ischämie durch Verschluss der Kapillaren
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Reperfusionsschädigung
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gestörter lymphatischer Fluss
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mechanische Deformation und Zerstörung von Zellen
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Fazit
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anhand der pathogenesischen Fakten ist also festzustellen, das ein Dekubitus „von unten nach oben“ entsteht
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diese Theorie wird auch Bottom-Up-Theorie genannt
Folgen
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als Folge der Gewebsschädigung gibt es zwei Möglichkeiten
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kleine Nekrosen und Gewebstrümmer werden resorbiert und durch neues Gewebe oder Narbengewebe ersetzt
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die Nekrosen sind nicht resorbierbar, es kommt zur Ausdehnung und eine tiefe Wunde entsteht
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Erkennen eines Dekubitus
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nicht jede Wunde die im Bereich des Gesäßes auftritt, ist tatsächlich auch ein Dekubitus
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mehr als zwei Drittel der als Dekubitus dokumentierten Wunden sind tatsächlich keine!
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häufig handelt es sich um Mazerationen („Feuchtigkeitswunden“)
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dadurch muss man gängige Statistiken kritisch sehen
Mazerationen
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Mazerationen sind „Feuchtigkeitswunden“, die durch Feuchtigkeitsbelastung der Haut durch z. B. Schweiß, Urin, Stuhl, Wundsekrete oder andere Flüssigkeiten entstehen
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durch die anhaltende Feuchtigkeit quillt die Epidermis auf und wird weich
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ein weiterer Faktor ist Reibung durch Bewegung des Patienten im Bett, durch die es zu Schädigungen der Haut kommen kann
Unterscheidung Dekubitus – Mazerationen
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es gibt drei einfache Kriterien, die die Unterscheidung zwischen Dekubitus und Mazerationen ermöglichen:
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Lokalisation
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Wundumgebung
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Wundgrund
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Lokalisation
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in vielen pflegerischen Dokumentationen liest man von „Dekubitus am Steißbein“
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dies ist entweder anatomisch falsch lokalisiert worden, oder es handelt sich um eine Mazeration, die als Dekubitus dokumentiert wurde
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ein Dekubitus entsteht nicht am Steißbein, sondern am Kreuzbein
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am Steißbein kommt es häufig zur Flüssigkeitsansammlung zwischen den Hautfalten und es entstehen Mazerationen
Wundumgebung
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Dekubitus
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die Wundränder sind scharf abgegrenzt und häufig nur leicht gerötet oder hautfarben
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Mazeration
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die Wundränder sind meistens stark gerötet und „ausgefranst“, da die Feuchtigkeit meisten auch die Wundumgebung angegriffen hat
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Wundgrund
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Dekubitus
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die Wunde ist schlecht durchblutet und kann bis tief auf den Knochen gehen
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Mazeration
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die Wunde ist gut durchblutet und bleibt oberflächlich der Dermis
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Dekubitus Prädilektionsstellen (gefährdete Stellen)
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am häufigsten entsteht ein Dekubitus an Körperstellen an denen Knochenvorsprünge spürbar sind, die durch fehlende oder geringe Fettpolster oder Muskulatur gekennzeichnet sind
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Verteilung (Studie 1992 – 1997)
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Kreuzbein 44 %
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Fersen 31 %
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Schambein 11 %
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Trochanter 5 %
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Beine 5 %
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Schulterblatt 3 %
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Hinterkopf 1 %
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Weitere gefährdete Stellen
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Nase
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Ohren
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Ellenbogen
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Knöchel
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Ränder von Verbänden, insbesondere Gipsverbände
Risikofaktoren für den Erwerb von Hautschäden
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eingeschränkte Mobilität
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eingeschränkte Wahrnehmung
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verminderte Durchblutung
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Ernährungsdefizit/ – überschuss
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Flüssigkeitsdefizit/ – überschuss
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Hypothermie
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Hyperthermie
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mechanische Faktoren
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Reibung
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Feuchtigkeit
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Reizstoffe
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Medikamente
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chemische Faktoren
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Risikoeinschätzung
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zur Einschätzung der individuellen Gefahr für den Patienten hat sich der „Fingertest“ oder „Kompressionstest“ etabliert
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hierbei wird mit dem Finger die Haut an einer Prädilektionsstelle eingedrückt
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unter dieser Kompression verblasst die Stelle und soll sich nach dem Loslassen rasch wieder normal färben („nächste Pulswelle“)
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diesen Vorgang nennt man Rekapillarisierung
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je länger die Rekapillarisierung ist, desto wahrscheinlicher ist die Entstehung eines Dekubitus
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es gibt verschiedene Skalen um das Dekubitusrisiko standardisiert einzuschätzen
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diese sollen das Augenmerk auf die Entstehungsfaktoren und Warnzeichen in Verbindung mit einem Dekubitus richten
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die bei uns am häufigsten verwendeten Skalen sind die Skalen von Barbara Braden und Doreen Norton
Klassifikationen bei bestehendem Dekubitus
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Dekubitusgeschwüre werden nach W. O. Seiler in vier Grade und drei Stadien eingeteilt:
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Grad 1
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nicht wegdrückbare, umschriebene Hautrötung bei intakter Haut
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weitere klinische Zeichen können Ödembildung, Verhärtung und eine lokale Überwärmung sein
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Grad 2
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Teilverlust der Haut; Epidermis bis hin zu Anteilen des Koriums sind geschädigt
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Der Druckschaden ist oberflächlich und kann sich klinisch als Blase, Hautabschürfung oder flaches Geschwür darstellen
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Grad 3
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Verlust aller Hautschichten einschließlich Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf, aber nicht unter, die darunterliegende Faszie reichen kann
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Der Dekubitus zeigt sich klinisch als tiefes, offenes Geschwür
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Grad 4
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Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder stützenden Strukturen wie Sehnen oder Gelenkkapseln, mit oder ohne Verlust aller Hautschichten
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Stadium A
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Wunde „sauber“, Granulationsgewebe, keine Nekrosen
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Stadium B
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Wunde schmierig belegt, Restnekrosen, keine Infiltration des umgebenden Gewebes, Granulationsgewebe, keine Nekrosen
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Stadium C
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Wunde wie Stadium B mit Infiltration des umgebenden Gewebes und/oder Allgemeininfektion (Sepsis)
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Klassifikation nach EPUAP
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Stadium 1
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nicht wegdrückbare Rötung intakter Haut
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besonders bei dunkelhäutigen Menschen können auch Hautverfärbungen, Überwärmung, Ödem oder Verhärtung Indikatoren für Stadium 1 sein
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Stadium 2
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Teilverlust der Haut, mit Schädigungen von Epidermis, Dermis oder beiden Hautschichten
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der Dekubitus ist oberflächlich und manifestiert sich klinisch als Hautabschürfung oder Blase
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Stadium 3
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Verlust aller Hautschichten einschließlich Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf, aber nicht unter, die darunterliegende Faszie reichen kann
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Stadium 4
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ausgedehnte Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder stützenden Strukturen, mit oder ohne Verlust aller Hautschichten
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Prophylaxen auf der Intensivstation
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das A und O der Prophylaxe von Hautschäden ist die Druckentlastung
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so ist bei allen Patienten eine konsequente Lagerung obligat
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im Intensivbereich ist der Patient oft durch die Schwere der Erkrankung nur eingeschränkt lagerungsfähig
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die Lagerungsmaßnahmen müssen immer individuell geplant und umgesetzt werden
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hierbei muss stets hinterfragt werden, zu welchen Maßnahmen der Patient fähig ist
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bei allen pflegerischen Handlungen darf man den Zustand des Patienten und die Grunderkrankung nicht außer Acht lassen
Besonderheiten bei Intensivpatienten
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bei der Planung und Umsetzung von Lagerungsmaßnahmen bei Intensivpatienten müssen z. B. folgende Umstände berücksichtigt werden:
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Kreislaufverhältnisse
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pulmonale Situation
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ärztliche Anordnungen
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SHT
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große, offene Wunden
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abdominelle Eingriffe
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Extensionen und Fixateure
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starke Blutungen
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starke Schmerzen
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Reanimation
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Sterbebegleitung
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es gibt immer viele Gründe, die Lagerungsmaßnahmen beim Intensivpatienten einschränken können, man sollte den Dialog mit dem verantwortlichen Arzt suchen und die Maßnahmen gemeinsam individuell festlegen
Weitere Besonderheiten beim Intensivpatienten
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durch die Maßnahmen im Bereich der Intensivbehandlung des Patienten gibt es viele weitere Körperstellen an denen der Patient gefährdet ist Hautschäden zu erwerben
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einige Beispiele:
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Tubus
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Ernährungssonden
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Drainagen
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Temperatursonden
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Zugänge
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Cave:
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Folienpflaster
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Harnwegskatheter
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Verbände/Pflaster
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Darmrohre/Stuhlgangsdrainagesysteme
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Monitorkabel
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Lagerungsschienen/Fixateure
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Fazit
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oft sind es die Pflegenden, die bei der Patientenbehandlung auf drohende Hautschäden und entsprechende Gegenmaßnahmen hinweisen müssen
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bei allen Patienten sollte es das Ziel sein, Hautschäden zu verhindern
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auch bei Patienten, die scheinbar „nicht lagerungsfähig“ sind, gibt es Möglichkeiten zur Druckentlastung der Haut
Möglichkeiten
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Hautinspektion
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Weichlagerung mit Antidekubitssystemen
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Mikrolagerungen
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lückenlose Dokumentation
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regelmäßige Verbandwechsel/Verbandkontrolle
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angepasster Bettwäschewechsel
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Hautpflege
Therapie
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hat ein Patient einen Dekubitus erworben, gelten zur Zeit folgende Therapieempfehlungen:
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sofortige Druckentlastung der betroffenen Stelle
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feuchte Wundbehandlung mit Hydrokolloidverbänden
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ggf. chirurgische Nekrosenabtragung
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